Wenn man im Inneren eine bestimmte Kanzleikultur leben möchte und diese auch nach außen hin zeigen will, sollten man sich Gedanken über seine Unternehmenskultur machen: Was ist mein Leitbild? Was sind die Werte für die ich stehe und für die ich einstehen will? In der täglichen Arbeit kommt das oft viel zu kurz.
Ein Leitbild sollte man sich aber nicht einfach auf die Fahne schreiben und irgendein wohltönendes Motto rausgreifen und sagen "Klingt gut, so machen wir das jetzt!" Es muss von innen mit Leben gefüllt werden, damit es auch nach außen hin glaubhaft gelebt werden kann. Die ersten Schritte hierzu können Sie leicht selbst gehen.
Auf dem Bild sehen Sie eine Darstellung des "Modells der logischen Ebenen der Veränderung" nach Robert Dilts. Kerngedanke ist, dass es im menschlichen Verhalten und im dahinterstehenden Denken verschiedene Ebenen gibt, die sich beeinflussen: Die jeweils obere Ebene bestimmt, was auf den darunter liegenden Ebenen geschieht. Und nur wenn alle Ebenen zusammenwirken, kann man sich stimmig und authentisch verhalten und wird auch so von außen wahrgenommen. Sind die Ebenen stimmig ausgerichtet führt dies zu mehr Arbeitszufriedenheit und gesünderem Arbeiten, zu mehr Motivation und authentischem Auftreten. Denn man tut ja, was man wirklich ist.
Ein kleines Beispiel zum besseren Verständnis: Nehmen wir an ich bin ein Fan des FC ... (wählen Sie den Namen Ihres Favoriten, ich will hier keinen vorgeben ;-) ). Dann findet man mich möglicherweise bei jedem Heimspiel im Stadion, wo ich mir die Spiele meines Vereins ansehe (Umwelt). Ich kaufe mir eine Dauerkarte und feuere mein Team an und brülle vor Freude über jedes geschossene Tor oder schlage die Hände überm Kopf zusammen, wenn eines mal kassiert wird und rege mich über den Gegner auf (Verhalten). Ich kann meinen Tagesablauf so organisieren, dass ich es schaffe, jedes Heimspiel zu besuchen (Fähigkeiten). Das tue ich, weil es mir zum Beispiel wichtig ist, im Stadion die Spiele "meines" Vereins zu sehen, keines zu verpassen und weil ich die Stimmung im Stadion liebe (Werte / Motivation). Diese Motivation und diese Werte habe ich, weil ich ein Fan dieses Vereins bin und mich als solcher identifiziere (Ich bin Bayern-Fan. Ich bin Dortmunder. Ich bin Schalker, ...). Und diese Identität habe ich, wie ich mich der Gemeinschaft aller anderen Fans dieses Vereins verbunden fühle (Zugehörigkeit).
Wenn Sie jetzt die Zugehörigkeit austauschen (vielleicht von "Dortmund" zu "Schalke"?) wird sich alles ändern bis runter zum Verhalten und der Umwelt. Ich werde in ganz anderen Stadien sein und eine ganz andere Mannschaft bejubeln und mich über andere Mannschaften aufregen etc.
Wie das Modell auf eine Anwaltskanzlei angewendet werden kann, will ich konkret an einem Beispiel erläutern. Wenn ich mich beispielsweise als "Hausanwalt der kleinen Leute" positioniert habe, an den sich Privatleute über Generationen hinweg vertrauensvoll mit allen Rechtsfragen wenden können, dann könnten die Ebenen - stark verkürzt - so aussehen:
Wo bin ich tätig? Ich arbeite in der Stadt XY, genauer im Stadtteil ZY und in der näheren Umgebung der angrenzenden Städte. In XY ich meine eigene Kanzlei zusammen mit meinen beiden Partnern. In meiner Stadt. ...
Was genau tue ich? Ich berate und vertrete Privatpersonen und kleine Inhabergeführte Unternehmen in allen Rechtsfragen von A - Z. Sie können sich mit allen Fragen und Problemen an mich wenden. Außerdem halte ich Vorträge zu rechtlichen Themen an Volkshochschulen und IHKs. Ich nehme mir viel Zeit für meine Kunden und spreche jedes Anliegen mit Ihnen persönlich durch. Nötigenfalls vertrete ich Sie auch vor Gerichten in der Umgebung. ...
Wie tue ich es? Ich kann mich gut in meine Kunden einfühlen, Vertrauen aufbauen und verstehe ihre Nöte und Sorgen. Ich kann deren Anliegen schnell erfassen und analysieren. Ich kann mich schnell ich verschiedene Rechtsgebiete einarbeiten und habe in umfassendes Wissen. Außerdem kann ich gut Präsentieren und Lehren. ...
Warum tue ich es? Ich glaube, dass es wichtig ist, hinter jedem Rechtsproblem auch den Menschen zu sehen und in meiner Arbeit ist es mir wichtig persönlichen Kontakt mit meinen Mandanten zu haben und zu spüren, dass ich Menschen helfen kann. Die menschlichen Anliegen der Privatleute sind für mich interessanter als Rechtsprobleme aus der Wirtschaft. Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis langfristiger Zusammenarbeit. ...
Wer bin ich, wenn ich es tue? Ich bin Generalist. Ich bin der "Hausanwalt" meiner Mandanten. Daneben bin ich auch noch Unternehmer, wenn ich meine Kanzlei führe. ...
Für wen mache ich das? Ich fühle mich dem "Normalbürger" verbunden und will deren Lage in kritischen Situationen verbessern helfen. ---
Von der Zugehörigkeit und der Identität aus könnte nun wieder Rückwärts gegangen werden bis zur Ebene der Umwelt. Dabei kann geschaut werden, welche weiteren Werte, Fähigkeiten und Verhaltensweisen noch zu meiner Zugehörigkeit / Identität passen, die ich außerdem habe oder die ich stimmig entwickeln könnte.
Das alles kann für die "Familienrechtlerin" natürlich ganz anders aussehen als für den "Scheidungsanwalt" oder noch anders für den "Wirtschaftsanwalt". Das ist höchst individuell. Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Stellen Sie sich mal die Fragen aus dem Schaubild (von unten nach oben), schreiben Sie sich die Antworten auf und lassen sie auf sich wirken. Ganz besonders wichtig ist das Gefühl, dass sich einstellt: Fühlt sich das stimmig und gut für Sie an, so dass Sie beim Gedanken an Ihre Arbeit vor Freude strahlen? Dann gehören Sie zu den Glücklichen, bei denen alle Ebenen gut zusammenpassen. Oder will sich nicht wirklich ein gutes Gefühls einstellen und es fühlt sich eher wie "Na ja, geht so" oder schlimmer an?. Das kann darauf hindeuten, dass es irgendwo (noch) nicht so recht passt, etwa weil Sie gegen eine ihrer Wertvorstellung arbeiten (das verlangte Verhalten passt nicht zu den Werten) oder Sie einer nicht passenden Identitätszuschreibung unterliegen (kraft des neuen Leitbilds meiner Firma hat man "Partner der Wirtschaft in einem starken Team" zu sein obwohl man sich eher als "Schützer der Schwachen" oder "Einsamer Wolf" begreift). Für langfristige berufliche Zufriedenheit sollte an der Ausrichtung der logischen Ebenen (Ihrer eigenen!!) gearbeitet werden und die Firma muss ein Leitbild leben, dass zu Ihnen passt.. Wenn Ihre Kanzlei schon ein Leitbild hat oder einen Wahlspruch, dann überprüfen Sie doch den mal für sich. Manche Wahlsprüche können sich ganz gut anfühlen und andere ziemlich hohl.
In anderen Kontexten ist es übrigens auch wieder anders, denn als "Ehepartner" oder "Vater" oder "Mutter" haben Sie andere Werte, andere Verhaltensweise und eine andere Zugehörigkeit. Das hängt vom Kontext ab, Testen Sie das mal!
Ein nachhaltiges Unternehmensleitbild oder Kanzleileitbild können Sie mit diesem Modell nicht nur für sich selbst entwickeln, sondern auch mit Ihren Partnern zusammen für Ihre Firma. Damit so ein Leitbild nicht nur eine Fassade bleibt, ist wichtig, dass sich jeder Partner - und idealerweise auch jeder andere Mitarbeiter - mit seinen Werten und seiner Identität darin wiederfindet, damit er es auch mit trägt und leicht mit Leben füllen kann. Es muss immer von unten nach oben entwickelt werden und idealerweise von allen Beteiligten gemeinsam. Wenn eine bestimmte Kultur wirklich gelebt wird, werden sich Neuzugänge auch leichter darin einfügen können. Sie sorgt für mehr Arbeitszufriedenheit und ein gutes Arbeitsklima und damit langfristig auch für mehr Gesundheit und weniger Arbeitsausfall und verringert kostenträchtige Fluktuation. Sie und Ihre Mandanten werden das spüren.